Erwachsene Stiefkinder

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Jani65
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Erwachsene Stiefkinder

Beitrag von Jani65 »

Hallo,
auch ich bin bald eine "Patchworkmutter", seit heute hier neu registriert und freue mich über Tipps und Ratschläge...
Um meine Situation verständlich zu machen, muß ich sicher etwas weiter ausholen....

Ich bin 46 Jahre alt, lebe jetzt im 5ten Jahr allein bzw habe meinen Exmann vor 5 Jahren verlassen. Ich habe 3 Söhne, 23, 21 und 17 Jahre alt.
Der älteste hat bereits seit einigen Jahren eine eigene Wohnung, wir haben aber einen engen und reglemäßigen Kontakt und er kommt gut zurecht. Der zweitälteste hat vor kurzem seine Ausbildung beendet und möchte auch in absehbarer Zeit auf eigenen Beinen stehen.
Nach meiner Trennung von meinem Exmann hatte ich eine Beziehung, die 15 Monate dauerte. Diese Beziehung ist daran gescheitert, dass mein Exfreund sehr eifersüchtig auf meine Söhne war und meinen Erziehungsstil ständig heftig kritisierte. Er hat übrigens auch 3 Kinder zu denen er aber keinerlei Kontakt hatte (das spricht wohl für sich) Er war, ich nenne es mal ein "Hardliner"..ich sollte schimpfen, bestrafen, schreien und wenn es nach ihm gegangen wäre, auch noch prügeln. Nun, ich erziehe anders. Nämlich ruhig, verständnisvoll, mit viel Humor...und selbstverständlich habe ich meine Kinder noch nie geschlagen. Das Ergebnis spricht für sich, alle 3 haben sich (trotz einer schwierigen Trennung/Scheidung) prima entwickelt, gehen beruflich ihren Weg und sind auch sonst ganz nett und vorzeigbar.
Kurz nach der Trennung von meinem Exfreund lernte ich dann meinen jetztigen Freund kennen. Er ist auch alleinerziehend, sein Sohn ist 21, seine Tochter 18 Jahre alt. Im Gegensatz zu meinem Exfreund ist mein aktueller Freund ein sehr liebevoller und fürsorglicher Papa. Auch meine Jungs haben ihn auf Anhieb gemocht und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Wir sind jetzt seit über 3 Jahren zusammen, leben aber noch getrennt.

Mein Freund hat einen sehr anstrengenden Beruf mit vielen Zusatzschichten und Nachtdiensten. Er hat ein Haus und einen großen Garten. Von Anfang an hat mich gewundert, dass er die komplette Hausarbeit fast alleine erledigt. Putzen, kochen, waschen, einkaufen....Schon oft habe ich mich darüber geärgert, dass er Sonntags morgens in aller Frühe aus dem Bett springt um mal eben noch einen Trockner Wäsche zu falten....
Der Sohn meines Freundes ist schon berufstätig und fertig mit der Ausbildung. Trotz seiner knappen Freizeit ist er eigentlich sehr hilfsbereit. Man muß ihn nicht lange bitten, er sieht wo seine Hilfe gebraucht wird. Das heißt, er räumt den Schnee weg, mäht den Rasen, wäscht das Auto... schiebt sich manchmal eine Pizza in den Ofen oder kocht einfache Gerichte. Die Tochter ist eine sehr gute Schülerin. Sie geht nach der Schule noch jobben um sich ihr Auto finanzieren zu können. Das wars dann aber auch.
Mein Freund ist komplett überfordert mit allem. Ich helfe wo ich kann, aber ich kann ihm nicht jeden Tag helfen, wir können uns nicht jeden Tag sehen, das ist aus "logistischen" Gründen nicht möglich. Schon oft habe ich ihn darauf angesprochen, dass ich der Meinung bin, dass die Tochter sich ein bißchen mehr an der Hausarbeit beteiligen könnte. Ich habe jetzt mit viel Überredungskunst erreicht, dass sie wenigstens einmal in der Woche das Badezimmer putzt. Das dauert ca 15 Minuten.Ich denke auch, dass es nicht zuviel verlangt wäre, wenn sie sich an der Wäschepflege beteiligt oder ab und zu mal die Spülmaschine ausräumt.
Doch das blockt mein Freund konsequent ab. Für ihn ist sie ein Kind. Und nicht die junge Frau, die ich in ihr sehe. Noch dazu ist sie ein ganz "armes Kind", weil sie seit 5 Jahren fast ohne Mutter auskommen muß (die wohnt ein paar Straßen weiter, aber ich glaube der Kontakt ist nicht allzu eng). Nach Meinung meines Freundes kann man diesem Kind nicht zumuten, ihre Wäsche selbst zu falten oder sich sogar mal selbst eine Mahlzeit zuzubereiten. Mein Freund ist eine Seele von Mensch, wir führen eine sehr harmonische Beziehung. Aber in diesem Punkt versteht er keinen Spaß. Er möchte jegliche Belastung durch irgendwelche Hausarbeiten von seiner Tochter fernhalten.
Die Hilfe seines Sohnes nimmt er aber dankbar an.
Nun ist es so, dass ich mir meine aktuelle Wohnung nicht mehr lange leisten kann. Im Sommer fällt der Unterhalt für meinen Sohn weg und dann reicht das Geld hinten und vorne nicht mehr.
Nun möchten wir also zusammenziehen, sprich ich ziehe zu ihm, wie gesagt er hat ein Haus.
Mein jüngster Sohn zieht selbstverständlich mit um und freut sich schon sehr. Er freut sich auf sein neues Zimmer, er freut sich auf seinen "Stiefpapa" (ihm fehlt wohl manchmal ein männlicher Ansprechpartner), er freut sich aufs Rasen mähen oder darauf in der großen Doppelgarage an Mofas oder auch Autos (er ist Azubi Kfz-Mechatroniker) zu schrauben...
Auch mein "Stiefsohn" freut sich darauf, dass bald wieder eine Frau im Haus ist....

Ich aber habe Bedenken.Ich habe Bedenken, dass bei fast drei erwachsenen Kindern im Haus unsere Beziehung ein bißchen auf der Strecke bleibt und wir nur noch Eltern sind. Deswegen könnte ich mir gut vorstellen, dass wir uns eher als eine Art "WG" verstehen, dh jeder geht seinem Beruf nach und bringt sich im Haus so gut ein wie er eben kann. Ich möchte für die Kinder da sein und kochen und machen und tun. Aber ich möchte nicht nur für sie da sein. Ich möchte dass sie selbstständig(er) werden und gut vorbereitet werden aufs "Alleineleben"...
Und da liegt das Problem. Denn ich glaube dass mein Freund da anders denkt. Er ist ein "Übervater". Er leidet jetzt darunter, dass seine Kinder so "unterversorgt" sind, dass keine Mama da ist, dass kein frisches Gemüse auf den Tisch kommt usw usw
Ich glaube, dass er sich wünscht, dass seine Kinder, hauptsächlich die Tochter, jetzt noch einmal richtig verwöhnt werden. Er möchte wohl, dass ich nachhole, was er ihnen in den letzten Jahren nicht bieten konnte...
Ich gehe nur Teilzeit arbeiten. Das soll auch so bleiben. Ich habe also genug Zeit für Hausarbeit etc. Ich mache es auch gerne. Aber ich möchte nicht für drei erwachsene Kinder die "Haushälterin" sein. Ich möchte auch nicht aufrechnen, wer wieviele Stunden was gemacht hat. Aber ich möchte, dass JEDER was macht. Auch die Tochter. Aber mein Freund reagiert fast panisch, wenn ich dieses Thema anschneide....
Wir streiten uns nie. Nur wenn es um das Thema "Hausarbeit Mithilfe Tochter" geht....
Mein Problem ist also, dass ich nicht damit umgehen kann bzw dass ich es nicht richtig finde, dass die Tochter einen Sonderstatus einnimmt...und dass ich ihr womöglich demnächst noch ihre Höschen und BHs falten soll...oder noch schlimmer: Mein Freund macht es noch die nächsten zig Jahre, so wie er das jetzt auch macht.... und es überhaupt nicht merkwürdig findet...und sie übrigens auch nicht....(sie macht ABI, möchte studieren und wird sicher so schnell nicht ausziehen)..
Ich finde es auch schön, dass meine Jungs sich gut mit meinem Freund verstehen, ich freue mich, dass er für sie da ist...er ist einfach eine echte Bereicherung für sie. Aber ich bin nicht mit meinem Freund zusammen, weil ich einen Vater für meine Kinder suche, sondern einen Partner. Mein Freund wünscht sich aber wohl hauptsächlich wieder eine komplette "Familie"......

Ergänzen möchte ich noch, dass beide Kinder meines Freundes sehr freundlich und höflich sind. Der große Unterschied zwischen den beiden ist bloß, dass der Sohn sich Gedanken um seinen Vater macht, dass er sieht, dass sein Vater quasi vor lauter Arbeit auf dem Zahnfleisch läuft...und die Tochter nur mit sich selbst beschäftigt ist und es für sie selbstverständlich ist, dass sie bedient und rundum versorgt wird......Das kanns doch nicht sein!!!

Mein Freund wirft mir übrigens oft vor, dass meine Jungs sich ja schließlich auch kaum an der Hausarbeit beteiligen und ich das klaglos hinnehme. Er hat Recht. Aber ich bin ja schließlich in einer ganz andereren Situation als er, habe viel mehr Zeit und bloß eine Wohnung und nicht ein ganzes Haus sauberzuhalten. Ich achte aber sehr darauf, dass sie mir die "männertypischen" Arbeiten abnehmen (z. Bsp. schwere Einkäufe tragen, sich ums Auto kümmern, kleinere machbare Reparaturarbeiten in Wohnung, an Möbeln oder Geräten) oder ermuntere sie dazu, sich auch mal selber an den Herd zu stellen (Pizza, Spiegeleier, Fertiggerichte), falls ich mal nicht zur Stelle bin...

Mache ich mir zuviele Gedanken? Sehe ich alles vielleicht viel zu eng und pessimistisch?
Wer weiß einen Rat.....?

Vielen Dank schonmal im Voraus
Jani65
susanne
Beiträge: 4
Registriert: Mi 11. Jan 2012, 09:09
Wohnort: Laufenburg

Re: Erwachsene Stiefkinder

Beitrag von susanne »

Liebe Jani,
kann deine Bedenken gut verstehen. Patchwork ist kein Abenteuer - sondern ein Zustand. Hab ich neulich gelesen - fand ich gut.
Nun zu dem, was ich beim Lesen deines Beitrages empfunden habe.
Hab Mut, geh es an! Wir machen uns manchmal auch selber verrückt und es kommt eigentlich nicht nie so schlimm, wie es sich unsere Phantasie ausmalt.
Der Weg geht wohl eher über deine Stieftochter. Sie kann nichts dafür, das der Papa sie so verwöhnt hat. Du kannst ihr helfen selbstverantwortlich und erwachsen zu werden. Und sicher entspannt es auch den Herrn Papa, wenn du da bist und vieles von den täglichen Pflichten ihm abnimmst. Geduld und Liebe sind dein Einsatz. Und nicht gleich verzweifeln, wenns anfänglich immer wieder mal Schwierigkeiten gibt. Euer Weg findet sich. Achtet darauf, das ihr als Paar genug Platz und Zeit habt. Das kann ja auch so ausssehen: ab 20.00 h ist Erwachsenenzeit ( nur wenn das Haus "brennt" darf sich gemeldet werden ).
Sei stolz darauf, das deine Kinder so toll geworden sind! Du weißt was du geleistet hast und wie stark du bist!
Es wird - glaub mir!
Alles Liebe
Susanne
Jani65
Beiträge: 2
Registriert: Mo 6. Feb 2012, 21:22

Re: Erwachsene Stiefkinder

Beitrag von Jani65 »

Liebe Susanne,

ja ich glaube Du hast Recht....Mein Leben wird ja auch etwas einfacher als jetzt, wenn wir zusammenleben (im Moment enormer finanzieller Druck usw...)...und vielleicht gelingt es mir ja dann auch entspannt und humorvoll auf die "verwöhnte" Tochter (auch da gebe ich Dir Recht, sie kann ja nichts dafür) zuzugehen....und fairerweise muß ich ja noch erwähnen, dass mein Freund sich für meine Kids auch zwei Beine ausreißt, gar nicht kleinlich ist...und obgleich seiner eigenen großen Belastung durch Job und Haus und Kids, jederzeit für MICH UND MEINE Kinder da ist.....

ALLE Beteiligten freuen sich auf die neue Wohngemeinschaft, niemand ist dagegen...ich bin die einzige, die soviel grübelt...aber ich werde versuchen, mich auf das Schöne zu freuen..und nicht nur die Probleme zu sehen, die evtl auf uns zukommen könnten......

Du hast mir mit Deiner Antwort sehr geholfen...Ich danke Dir....!

LG
Jani65
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Thomas Gerling-Nörenberg
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Re: Erwachsene Stiefkinder

Beitrag von Thomas Gerling-Nörenberg »

Liebe Jani,

auch ich glaube, wie Susanne, dass Sie und Ihre Patchworkfamilie auf dem "guten Weg" sind...

"Paarzeit" sich zu nehmen, ist gerade bei den Patchworkern (gut finde ich auch den Vorschlag von Susanne - ab 20 Uhr "ElternZeit" einzuführen) wichtig, da die "Kennenlernphase" wie in der 1.Familie üblich ohne Kinder, in unserer Familienform so nicht existiert. Aber sie ist das Fundament der Partnerschaft, dass auch der Elternschaft gegenüber unseren Kindern Kraft gibt. Und, wie Sie auch schreiben, ist auch die Begleitung älterer "erwachsener" Kinder nicht unproblematisch...

Zu Ihren Ansichten der 18jährigen Tochter Ihres Partners kann ich Ihnen aus meiner Erfahrung nur raten, sich so weit wie möglich (das ist ja im gemeinsamen Haushalt nicht so einfach) herauszuhalten und Ihren Partner seine Verantwortung für seine Tochter zu überlassen. Einmischung in diesem Bereich kann schnell zu für Sie schwierigen Konstellationen führen, so dass sich die beiden gegen Sie verbünden könnten. Daher würde ich das Thema wenn möglich, mit allen WG-Mitgliedern in Ihrem Haushalt mal "beleuchten" und evtl. einen gemeinsamen Plan der Haushaltsführung entwickeln. So könnte die Tochter Ihres Partners in diesem "Runden-Tisch-Gespräch" mal miterleben, wer wieviele Aufgaben übernimmt und was Ihr Teil an der "Gesamtfamilie" ist.

Ansonsten ist ja die Schilderung Ihres Partners so, wie man sich einen verantwortungvollen, liebenswerten Mann an seiner Seite vorstellt..

Ich wünsche Ihnen ein weiteres gutes Zusammenwachsen Ihrer Familien, dass ein Wachstum aller Beteiligten weiterhin fördert,

herzlichen Gruß aus Münster (und entschuldigen Sie meine späte Reaktion - ich war in den letzten Wochen stark beansprucht)

Thomas Gerling-Nörenberg
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