Hilfe - Pubertät und Desinteresse an Familie

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kramladen
Beiträge: 1
Registriert: Do 30. Dez 2010, 20:59

Hilfe - Pubertät und Desinteresse an Familie

Beitrag von kramladen »

Hallo liebe Forumsmitglieder,

bin zufällig auf diese Seite gestoßen und habe mich erstmal direkt angemeldet, da auch ich ein Problem mit meiner Patchworkfamilie habe. Ich bin 42 Jahre alt und lebe seit knapp 2 Jahren mit meinem neuen Partner zusammen in meinem Haus. Ich habe 2 Mädels (6 und 13 Jahre alt) und mein Freund hat einen Sohn (17 Jahre alt). Mein Problem ist der Sohn meines Partners. Ich komme mit ihm nicht zurecht und er nicht mit mir. Bevor die beiden zu uns gezogen sind, ging das ganze noch, aber seitdem entfernen wir uns immer mehr voneinander. Gespräche sind schon gar nicht mehr möglich. Sicher, er hatte keine einfache Zeit. Seine Eltern haben sich getrennt und beide Elternteile haben sehr schnell neue Partner gefunden, seine Mutter ist zurück in die neuen Bundesländer gezogen, er musste umziehen, die Schule wechseln, neue Freunde suchen. Ich habe mich echt reingekniet, ihm den Start zu vereinfachen. Wir sind jedoch immer mehr aneinandergeraten, da er null bereit ist, sich den Umständen auch nur ansatzweise anzupassen. Es geht hier um Kleinigkeit was Sauberkeit und Ordnung angeht, die Lautstärke seiner Musik, die den ganzen Tag läuft... Die Summe macht´s, dass es hier ständig Stress gibt und ich schon gar keine Lust mehr habe, mich mit ihm überhaupt noch auseinanderzusetzen. Wenn er nicht in der Schule ist, hängt er nur in seinem Zimmer ab und spielt Playstation, sitzt am Computer oder sieht fern. Und das alles mit Musik. Wenn wir mittags essen wollen und ihm bescheid sagen, kommt er grundsätzlich 10 Minuten später und sagt nur etwas, wenn sein Vater mit am Tisch sitzt. Mit meinem Partner führe ich viele Gespräche deswegen und der konnte das anfangs immer erst gar nicht glauben, was ich erzähle, hat es dann aber zufällig selber mitbekommen. Er war immer derjenige, der versucht hat, dass das Gespräch zwischen seinem Sohn und mir aufrecht bestehen bleibt, aber dabei kommen von ihm immer nur Aussagen wie "das war schon immer so", "das ist mir gar nicht aufgefallen" ... Er hat für alles eine Ausrede und verspricht sich zu ändern, aber es tut sich nicht wirklich etwas. Er will die Zeit bei uns scheinbar nur irgendwie absitzen und wenn er sein Abitur hat, ist er eh weg. Ich habe keine Lust, diese Ablehnung noch 1 1/2 Jahre zu ertragen, zumal ich auch noch zwei eigene Kinder habe, um die ich mich kümmer. Außerdem ist es auch gar nicht meine Aufgabe, ihn umzuerziehen und Fehler seiner Mutter (von der er viel übernommen hat) versuchen wieder glatt zu bügeln. Er ist 17 und in der Pubertät und allein das reicht ihm schon, um sich von mir nichts sagen zu lassen. Wir hatten schon überlegt, dass er auszieht, damit ein wenig Druck aus der ganzen Geschichte genommen wird, aber abgesehen davon, dass es auch eine Kostenfrage ist, trauen wir ihm die Selbständigkeit null zu. Es ist mitlerweile leider wirklich so, dass ich immer froh bin, wenn er in den Ferien mal ein paar Tage zu seiner Mutter fährt. Hat jemand von Euch Erfahrung mit pubertierenden Jungs, die einem mit extremen Desinteresse zeigen, dass sie mit der neuen Familie nichts zu tun haben wollen und nur noch ihr eigenes Ding durchziehen? Wie habt ihr die Zeit überstanden und wie seid ihr damit umgegangen?

Liebe Grüße
Tina
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Thomas Gerling-Nörenberg
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Re: Hilfe - Pubertät und Desinteresse an Familie

Beitrag von Thomas Gerling-Nörenberg »

Hallo Tina, herzlich willkommen in unserem Forum,

das ist eine mit der schwierigsten Situationen in Familien überhaupt, von einem Kind so abgelehnt zu werden. Das ist für Sie und Ihre Kinder eine sehr problematische Erfahrung.

Wie sie schildern, hat der Sohn Ihres Partners ja auch eine höchst frustrierende Zeit hinter sich...
Die Trennung der Eltern, die schnell wieder einen Partner für sich finden, der Auszug aus der gemeinsam Wohnung und der Wegzug aus dem Ort (Schule / Freundeskreis - dies macht für 17jährige den Dreh- und Angelpunkt seines Lebens aus). Er fühlt sich nach dieser "Entwurzelung" wahrscheinlich als Sohn von seinen Eltern überhaupt nicht gesehen und wahrgenommen - noch abhängig von ihnen aber völlig ausgeliefert und nicht respektiert.

Wahrscheinlich bekommen Sie und Ihre Familie diesen gesamten Frust mit - wo soll er ihn den sonst ablassen... Sein Vater ist häufig nicht da aber Sie bieten ihm eine Zielscheibe, wo er allen Frust herauslassen kann. (Dies kann ich Ihnen von außen so schildern - aber viel helfen wird es Ihnen in der Situation eher nicht, oder?) Ich würde die Situation so verstehen...

Helfen kann da eigentlich nur der Vater des Jugendlichen, der mit ihm verständnisreiche Gespräche führen sollte. Der Junge muss jemand haben, der ihn versteht und mit ihm die Situation aufarbeitet. Das gelingt vielleicht auch nur mit einem Fachmann aus einer Beratungsstelle oder einem Psychotherapeuten/Familientherapeuten...

Sie sind da restlos überfordert und brauchen besonders Hilfe von Ihrem Partner! Gut wäre es auch, wenn dieser mit der Mutter des Jugendlichen gemeinsam Lösungen für ihn erarbeiten und diese mit ihm ins Gespräch kommen.

Ihr Partner sollte zusätzlich im gemeinsamen Gespräch mit Ihnen seinem Sohn erklären, dass Sie gemeinsam in einer Familie als Gemeinschaft wohnen und dementsprechend bestimmte Erziehungsbefugnisse in seiner Abwesenheit haben...


herzlichen Gruß und viel Kraft für den weiteren Weg...

Thomas Gerling-Nörenberg
Libelle
Beiträge: 4
Registriert: Di 26. Jan 2010, 23:19

Re: Hilfe - Pubertät und Desinteresse an Familie

Beitrag von Libelle »

Ich erlebe nach den Pubertäten meiner 3 erwachsenen Kindern nun auch die Pubertät meines Stiefsohnes. Das ganze Verhalten kenne ich. Jungentlich in dem Alter grenzen sich ab und das ist gut und richtig so. Dennoch sollte man klare Regeln schaffen die das Zusammenleben betreffen. Da hilft ein klärendes Gespräch zwecks Festlegung dieser Regeln. Ich denke, dann dürfte es besser laufen
Hollerkönigin

Re: Hilfe - Pubertät und Desinteresse an Familie

Beitrag von Hollerkönigin »

Hallo Kramladen,

ich erlebe gerade in unserem Haushalt 2x Pupertät. Ein Junge von 17 Jahren und ein Mädchen von 16 Jahren.
Auch diese beiden pfeifen gerade gänzlich auf Familie, auch wenn ich mich sehr bemühe, eine Balance zwischen Freiheit und Familienaktivität sowie Pflichten und Rechten zu schaffen.

Ich denke neben dem Abnabeln während der Pupertät und den damit verbundenen Bestrebungen nach Selbstständigkeit und eigener Identität ist eine grundsätzliche Abkehr vom WERT FAMILIE zu erkennen, auch bei den Freunden meiner Stiefkinder.
Überall geht Freiheit über alles, ausschlafen bis nachmittags, keine festen Zeiten und/oder Rituale bei denen Familien zusammen kommen, auch bitte keine Zwänge. Familie bedeutet heute für die meisten Jugendlichen eine Option, sie zu nutzen, aber keine Verpflichtung oder Initiative sie zu pflegen oder zu schätzen.

"Jede Generation bekommt die Kinder, die sie verdient!" habe ich mal irgendwo gelesen. Oft bin ich entsetzt, wenn ich andere Eltern so höre und sehe. Leben ist Fun pur für die Kids, man darf nichts erwarten, besonders nicht von Jungs und so olle Kamellen wie gemeinsame Malzeiten sind schon genauso OUT wie der sonntägliche Kirchgang.
Es wird in unserer Gesellschaft Individualismus gepflegt und gefördert, also was soll man da mit Familie.

Anders war das bei der Nachkriegsgeneration, da stand Gemeinschaft und Familie hoch im Kurs, wenige hatten ja noch eine intakte Familie, Vater im Krieg gefallen, Mutter im Bombenhagel gestorben, und, und ...
Damit wurde ich eine Generation später groß. Familie ist wertvoll, der Zusammenhalt stärkt das Individuum auf den Weg in die eigene Zukunft, klar dass ich als Pupertist nach einer durchzechten Samstag Nacht auch lieber gepennt hätte, als beim Familiefrühstück zu sitzen, aber es war so, die Eltern verlangten es und die Kinder fügten sich.
Heute wird viel geboten, wenig verlangt und es ist Bockfrage, ob ich Familie nutze oder nicht.
Kinder, die im Heim aufwachsen, oder bei Trennung/Scheidung ihre Ursprungsfamilien verlieren hegen vielleicht Sehnsucht nach der "intakten" Familie, aber wenn sie dann patchworktechnisch wieder da wäre, da schließt man sich doch lieber den Altersgenossen an und findet Familie grundsätzlich UNCOOL.

So, genug kluggeredet. Ich würde immer wieder anbieten, Familie zu sein auch wenn man damit dann oft alleine dasitzt. Ich habe selbst gerade eine Verweigerungsphase hinter mir, nach dem Motto: "Wenn Du keine Familie willst, dann gibt's auch keine Familie wenn Du dann ausnahmsweise mal willst". Das brachte gar nichts und dann hat man eben andere gefunden, wo es eine warme Mahlzeit, eine Mitfahrgelegenheit und Rat und Tat gab. Also biete ich Familie an, hoffe dass es irgendwann (vielleicht wenn heutige Pupertisten eigene Kinder haben) positiv gewertet wird und biete vor allem meinem leiblichen Kind mit seinen 8 Jahren ein intaktes Familienleben, das er zu schätzen lernt und hoffe inständig, dass ich nicht noch eine dritte Hardcore-RutschtmirdochdenBuckelrunter-Pupertät erleben muss.

Viel Kraft und sorge dafür dass es "Dir" gut geht.
Alles Liebe
Gabi
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